Mass Effect 2

Mass Effect 2 Intro
Bereits zu Beginn harter Stoff für Fans der in Kürze abgeschlossenen "Mass Effect"-Triologie. Im fulminanten Intro wird die Normandy zerstört und Commander Shepard, Held des Spiels nach Rettung seiner Crew getötet.

Die Welt der Menschen steht am Abgrund, droht von einer als Reaper bekannten Alienrasse zerstört zu werden. Halb so tragisch? Im Jahr 2150 leben die meisten Menschen sowieo auf Kolonien und gewaltigen Stationen draußen im Weltraum? Mag sein. Doch mit der Erde allein wollen die Reaper sich nicht zufrieden geben. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis der Erde auch andere Planeten und Völker folgen würden.

Und die derzeit einzige Hoffnung wird gleich zu Beginn in Stücke gerissen, ihr Kapitän ins All geschleudert und verbrennt in der Atmosphäre des nächstbesten Planeten. Die Karten für die Rettung der Menschheit könnten zu Beginn von Mass Effect 2 nicht schlechter stehen. Und mancher Spieler musste sich fragen, warum einen Spielstand aus dem ersten Teil importieren, den Charakter und wichtige Entscheidungen der Handlung übertragen, wenn der Held oder die Heldin sowieso in den ersten Minute eindrucksvoll aus dem Spiel genommen wird?

Die Lösung ergibt sich wenige Augenblicke, für die Handlung viele Monate später. Die mysteriöse Organisation Cerberus, formiert um einen Geschäftsmann der schlicht als „der Unbekannte“ gehandelt wird, birgt die sterblichen Überreste des ehemaligen Commanders. In einer langwierigen und extrem kostspieligen experimentellen Operation, wird der Körper Shepards nach und nach rekonstruiert und ins Leben zurück geholt. Vielleicht ein paar Tage zu früh. Als die Station wegen Sabotage angegriffen wird, holt man Shepard früher als geplant ins Leben zurück. Eine Entscheidung die optische Spuren in Form klaffender Gesichtsnarben hinterlässt.

Gespräche in Mass Effect 2
Mass Effect 2 lebt von seiner Geschichte. Ob zwischen knallenden Feuergefechten, oder ruhigen Momenten mit der Crew. Abseits der Rahmenhandlung locken viele Gespräche mit interessanten Hintergrundinformationen.

Story

Die Handlung kommt für Neulinge ein wenig abstrus daher. Wer den ersten Teil nicht gespielt hat, verpasst offiziell zwar nur einige mögliche Entscheidungen der Vergangenheit und versteht manche Randbemerkung nicht, tatsächlich geht das fehlen an Hintergrundwissen aber noch tiefer. Wer die Reaper sind, woher sie kommen und was sie eigentlich wollen, wurde im ersten Teil zwar auch schon ausgeschwiegen, dafür aber viel Drumherum angerissen. Charaktere wie die Geschäftsfrau Liara T’Soni oder die etwas naiv wirkende Quarianerin Tali’Zorah nar Rayya lernt man zwar auch so kennen, erfährt aber nicht welche Verbindung diese zu Shepard im ersten Teil hatten, wenn dieser nicht gespielt wurde.

Ohnehin wirkt die Handlung für sich genommen eher mau und eines typischen Spieleepos unwürdig. Shepard frisch zurück unter den Lebenden, wird von seinem Gönner dem Unbekannten angehalten eine Crew zu sammeln. Ziel sei es ein mysteriöses Portal nahe Omega 4 zu durchfliegen um in das Herz der Reaper vor zu stoßen. Einen Teil der Crew und deren Aufenthaltsorte hält der Unbekannte bereits parat. Weitere neue wie alte Bekannte folgen im Laufe der fortschreitenden Handlung. Auch abseits der Crew gibt es ein Wiedersehen mit alten Bekannten, die bereits im ersten Teil eine wichtige Rolle spielten. Viele davon erfüllen im zweiten Teil allerdings nur noch den Job einer Statistenrolle. Gerade bei jenen Charakteren, die durch Entscheidungen im Vorgänger neu geformt worden, verlorenes Potential.

Und wo der erste Teil noch eine in sich geschlossene Handlung bot und einen befriedigenden Abschluss finden konnte, verzichtet Mass Effect 2 ganz bewusst darauf das Kapitel ablegen zu wollen. So eindrucksvoll das Finale, so deutlich zeichnet der Abspann das Ziel: Mass Effect 2 schlägt die Brücke zwischen dem ersten und dem abschließenden dritten Teil. Es geht nicht um den Erfolg der Mission. Es geht auch nicht darum Helden zu feiern oder Gefallene zu betrauern. Den Reapern wird ein kurzes Schnippchen geschlagen, doch die Armada bleibt unaufhaltsam. Es wurde nur Zeit erkauft und für Pausen bleibt keine Zeit. Sieht man die Handlung als Ganzes und nicht als eigenes Kapitel, so wirkt der Sog und baut massiv Spannung auf. Wer den ersten Teil nicht kennt oder den dritten noch nicht ins Auge gefasst hat, bleibt mit einem Gefühl zurück nur ein halbes Buch gelesen zu haben.

Immerhin weiß Mass Effect abseits der Haupthandlung in sich geschlossene und gelungene Geschichten zu erzählen. Dabei entpuppt sich nicht einmal jedes dieser kleinen Abenteuer als Nebenquest. Wer im verruchten Afterlife einen Drink bestellt, kann schnell erfahren wie extremer Rassismus aussehen kann. Die Folge daraus obliegt der Entscheidung des Spielers. Fast jede Entscheidung im Spiel bietet neben neutralen auch noch vorbildliche oder abtrünnige Lösungsansätze. Spielerisch unterscheiden sich diese Wege selten, haben nur Einflüsse auf den laufenden Dialog und die Gesinnung des Hauptcharakters – notwendig um in Fällen mit schwierigeren Situationen überzeugend bleiben zu können. So oder so, das Gespräch mit dem Barmann findet ein schnelles Ende. Ob er zwei Minuten später durch die eigene, oder die Kugel eines anderen Gastes seine Lektion lernt, obliegt der Entscheidung des Spielers.

Bestien aus Mass Effect 2
In einer Nebenmission hilft der Spieler seinem Crewmitglied "Grunt" dabei ein vollwertiges Männchen zu werden. Zu blöd dass nicht nur gewaltige Bestien in das ohnehin schon blutige Ritual platzen und der Crew ans Leder wollen.

An anderen Ort verhilft ein aufgeschnapptes Gespräch zweier Kroganer dazu Informationen über Fische in einem See der künstlichen Raumstation Citadel zu sammeln, oder einen vermeintlichen Diebstahl ins rechte Licht zu rücken. Dann verhilft eine Benachrichtigung von einem fernen Planeten, auf dessen Oberfläche eine Fabrikanlage Schwierigkeiten hat zu einem kleinen Abenteuer. Die interessantesten Nebenaufträge sind allerdings die der eigenen Crew. Die Suche nach einem lange vermissten Vater auf einem Urwaldplaneten, bringt eine unschöne Überraschung zu Tage und ob die Jagd auf eine gefährliche Tochter ein Erfolg oder ein Fehlschlag wird, hängt von den richtigen Entscheidungen und Gesprächen des Spielers ab. In diesen Aufträgen erfährt man einige Hintergründe über die Hauptakteure, bekommt interessante, wendungsreiche Geschichten erzählt und die Einsätze gestalten sich sowohl abwechslungsreicher, als auch spannender inszeniert als die übrigen Einsätze.

Atmosphäre

Eines muss man BioWare lassen. Wenn Technisch auch selten ein Feuerwerk abbrennend, wissen die Entwickler wie sie für Stimmung sorgen. Treibende elektronische Rhythmen und dumpfe, leise und bedrohlich klingende Bässe wechseln sich in Feuergefechten ab. Zwischensequenzen werden dynamisch geschnitten und zeigen sich durch die Bank weg gut vertont. Nur sehr selten klingt ein Dialog mal etwas abgehackt. Was der Grafik an Effekten und Details fehlt, macht die Farbstimmung wieder wett. Künstliche Lichter, schummrige Planetenoberflächen und gleisende Himmelskörper. Die Farben wirken je nach Ort anders, Licht und Schatten werden kontrastreich überzeichnet und stärken den Noir-ähnlichen Grafikstil des Science-Fiction-Szenarios.

Auch die Abwechslung der verschiedenen Handlungsorte weiß zu gefallen. Ist man in den Actionpassagen meist in eher generischen Schlauchlevels unterwegs, gefallen die Kolonien und Städte in denen Gespräche geführt, Aufträge gehol und mit Waren und Upgrades gehandelt wird. Die Heimat der kriegerischen Kroganer besteht eigentlich nur aus Schutt und Ruinen, wirkt mehr wie das provisorische Lager eines herum ziehenden Stammes als einer festen Herberge. Illum, die Heimat der Asari wartet dagegen mit himmelhoch reichenden Gebäuden, tiefen Schluchten zwischen den Bauten und exquisiten Einkaufsmöglichkeiten auf. An jeder zweiten Ecke finden sich zudem Personen oft verschiedener Rassen in Gespräche vertieft.

Wann immer der Spieler erneut vorbei schreitet, setzt sich das Gespräch fort und entwickelt humorvolle Züge. Beispielsweise dann wenn ein verärgerter Kunde ein Gerät umtauschen möchte und keinen Kassenbon besitzt. Wer eine Weile zuhört, erkennt klar eine Situation, die schon im ersten Mass Effect für einiges Schmunzeln sorgte. An anderer Stelle unterhalten sich drei verschiedene Rassen darüber, welcher Rasse die Asari wohl am ähnlichsten sein mögen, ohne zu merken wie sie von dem Tischtanz einer Asari zunehmend eingefangen werden.

Dichte Atmosphäre in Mass Effect 2
Mass Effect 2 lebt von seiner Geschichte und den meist gut geschnittenen Zwischensequenzen, die oft nahtlos in Gespräche übergehen und durch Entscheidungen des Spielers einen neuen Ausgang schaffen.

Die Missionen weißen atmosphärisch Höhepunkte wie Tiefpunkte auf. Großes Kino durch eine Station zu sprinten die zu explodieren droht, oder bei Nacht durch eine scheinbar verlassene Institution zu schleichen, deren von der Natur zurück eroberte Räumlichkeiten durch das kaum durch die verdreckten Fenster scheinende Mondlicht erhellt werden. Auf der Gegenseite stehen lange Passagen die Raum an Gang, an Treppen an Gang reihen und oft genug den Eindruck erwecken man wäre schon mal an der Stelle vorbei gelaufen. Die einzige Abwechslung: Gegner die unverhofft hervor springen, meist dann wenn gerade besonders viele Deckungsmöglichkeiten im nächsten Raum aufwarten. Dass im Hintergrund mal ein Raumschiff vorbei zieht, zählt in solchen Fällen schon als optisch aufwändige Ablenkung vom statischen Levelschlauch.

Gameplay

Stärker als schon der erste Teil hat Mass Effect 2 seinen Anteil an Rollenspiel zurück gefahren. Was bleibt ist auf dem Papier zwar nicht wenig, doch erhoffen die meisten Spieler sich mehr, von einem Spiel auf dem BioWare steht. Immerhin steht dieser Name für viele prestigeträchtige Titel, darunter auch die extrem komplexe Baldur’s Gate Reihe, oder Knights of the old Republic.

Wer keinen Spielstand importiert, beginnt mit der traditionellen Charaktererstellung die wenig Wünsche übrig lässt. Neben der Spielerklasse und einigen Hintergrundinformationen zur Vergangenheit des Charakters, erlaubt ein Editor die Wahl des Geschlechts und der Gesichtszüge. Später lassen sich in einem eigenen Editor verschiedene Rüstungselemente mit unterschiedlichen Attributen kombinieren und in einem individuellen Stil einfärben. Leider lässt sich dieser Look nicht vom Hauptcharakter auf seine Mitstreiter übertragen. Deren Aussehen lässt sich nur mittels einer alternativen, spät verfügbaren Zweituniform ändern. Außer der Optik ändert sich hierbei nichts.

Erfolge in Mass Effect 2
Spielerisch wertvoll: Entgegen anderen Titeln bringen Erfolge in Mass Effect 2 spielerische Vorteile mit sich. So werden zusätzliche Fertigkeiten oder ein Bonus bei einem neuen Spielstart freigeschaltet.

Die wenigen Rüstungsteile die es gibt, gewähren zum Beispiel 10% mehr Gesundheit, längere Sprints oder einen erhöhten Nahkampfschaden. Wesentlich individueller und spielerisch entscheidender, sind die Waffen die sich im Verlauf des Spiels finden lassen. Ob Pistole, Schrotflinte, Sturmgewehr, Scharfschützengewehr oder freischaltbare Spezialwaffen, zwischen drei und fünf solcher Exemplare lassen sich finden. Sie alle unterscheiden sich spürbar in Munitionskapazität, Schaden, Genauigkeit und Feuerrate und dürften vor jeder Mission oder an Waffenschränken getauscht werden. Eindeutig bessere oder schlechtere Waffen gibt es nicht, nur stärkere Spezialisierungen.

Die Fähigkeiten fallen etwas geringer aus. Etwa vier Fertigkeiten besitzt jeder Charakter im Verlauf des Spiels, von denen einige nur passiv wirken. Techniker können Drohnen zur Unterstützung heran holen, feindliche Roboter übernehmen, während Biotiker als eine Art Standardmagier Gegner in Gravitationsfeldern manipulieren oder durch die Gegend werfen. Soldaten schließlich verlangsamen mit besseren Reflexen die Zeit, setzen auf bessere Schilde und spezielle Munition um gegen verschiedene Gegnergruppen zusätzlichen Schaden zu verursachen.

Deckung – zu meist hinter Kisten und Betonsäulen – spielt in den Kämpfen eine zentrale Rolle. In den Gesprächen kommt diese Sonderrolle den Vorbild- und Abtrünnigkeitspunkten des Spielers entgegen. Diese lassen sich durch besondere Handlungen und die Dialogwahl steigern und erlauben einen wirksamen Schlussstrich unter den meisten Gesprächen. Oft mit einer zusätzlichen Information oder Belohnung verbunden. Manchmal lässt sich eine Aktion auch mitten in der laufenden Zwischensequenz auslösen, wodurch diese eine andere Richtung einschlägt. Mag zwar nicht nett sein, aber es hilft ungemein schon mal zwei Wachen zu töten, während der Warlord noch seine Ansprache hält.

Abseits der Gespräche und Schießereien lohnt es sich die Augen offen zu halten. Immer wieder gibt es eine verschlossene Türe oder ein Computerterminal, die in kurzen Minispielen geknackt werden und Schätze oder Ausrüstung bereit halten. Manchmal findet sich auch ein Forschungsupgrade um dem Team bessere Schilde, eine neue Waffe, eine neue Spezialfertigkeit oder größeren Waffenschaden zu spendieren. Einige Upgrades sind sogar spielentscheidend, möchte man ein möglichst optimales Ende erleben. Um die Forschungsupgrades zu nutzen, gilt es mit dem Schiff, der Normandy durch das All zu reisen und auf verschiedenen Planeten Rohstoffe abzubauen. Ein zeitraubendes, wenig spannendes und schon nach kurzer Zeit eher nerviges Minispiel.

Kritischer Treffer Mass Effect 2
Autsch das hat gesessen. Jetzt schnell in Deckung! Mass Effect 2 regeneriert sowohl Schilde als auch Lebensenergie automatisch. Wer in Deckung bleibt, benötigt Heilung fast ausschließlich für seine Kameraden.

Zum Glück handelt es sich bei diesem Minispiel um den einzigen wirklichen Gameplayschnitzer. Die anderen Minispiele fallen kürzer und weniger unnötig aus, die Wahl der Gesprächsthemen geht gut von der Hand – wichtige Entscheidungen werden farblich hervor gehoben. Steuerung und Menüführung könnten manchmal einen Tick direkter ausfallen, gehen nach etwas Eingewöhnung aber gut von der Hand.

Fazit

Mass Effect 2 ist großes Kino für Freunde gepflegter Science-Fiction. Ein schnörkelloser Ballerspaß der etwas mehr Wert auf Taktik als einen schnellen Mausfinger setzt und von einer großen Geschichte lebt, für die man aber tunlichst den Vorgänger gespielt haben sollte. Nach einigen dutzend Stunden beginnen die Schlauchlevel zu ermüden und trotz mäßig brauchbarer Übersichtskarten, kommt manchmal Orientierungslosigkeit in den Levelschläuchen auf. Doch schafft man es von diesen kleinen Längen abzusehen, bekommt man ein Spiel das durch immer wieder überraschende Storyhappen bei Laune hält und durch individuelle Gesprächsentscheidungen den Eindruck eines eigenen Charakters erweckt.

Freunde gepflegter, gut umgesetzter Action kommen trotz reichlich Gelegenheit für Schießereien aufgrund des schlichten Kampfsystems etwas kurz. Wer eine spannende Geschichte und individuelle Charaktere erleben möchte, sollte am besten heute noch auf der Normandy anheuern. Der dritte Teil steht in den Startlöchern und verspricht eine spannendende Triologie zu einem würdigen Finale zu führen.

  • Gute Sprecher und Soundkulisse
  • individuelle, glaubwürdige Charaktere
  • Lädt zum wiederholten Durchspielen ein
  • Leicht über 60 Stunden Spielzeit
  • Spannende, wendungsreiche Handlung…
  • …für die man den Vorgänger gespielt haben sollte
  • sterile Levelschläuche
  • Feuergefechte etwas monoton und oberflächlich
  • Rohstoffe sammeln nervt auf Dauer
  • Grafisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit