Alpha Protocol

Michael Thorton kann von sich behaupten einen wirklich miesen Job zu haben. Nicht nur dass der unter dem Alpha Protocol streng geheime und lebensgefährliche Einsätze gegen den Terrorismus bestreitet. Diese Tat für Volk und Vaterland wird noch nicht einmal gewürdigt. Unerwartet auf einen Komplott stoßend sieht der Geheimagent sich auf einmal als Abtrünniger abgestempelt seinem Arbeitgeber gegenüber, der nichts lieber täte als seinen Leichnam zu identifizieren.

Wenn ein Einsatz das böse Erwachen bringt, kann es eigentlich nur noch besser werden.

Eine Liebe auf den zweiten Blick

Kurz nach Erscheinen hatte ich mich auf den Titel gestürzt. Rollenspielelemente in einem modernen Agenten-Thriller klangen einfach zu viel versprechend. Doch schon nach den ersten zwei Stunden hatte sich Ernüchterung breit gemacht. Die Technik hatte den Sprung von der Konsole hin zum PC eindeutig nicht gut überstanden. Die Menüführung war dürftig, Minispiele nervig, die Steuerung fehlerhaft und eine Katastrophe. Wo Action erwartet wurde, ermüdeten ewig lange Zwanggespräche, deren Verlauf man nicht einmal direkt lenken konnte. Aus dem Hoffnungträger war einer der wenigen Rollenspielflops geworden.

Als Steam das Spiel die Tage in seinem Aktionsangebot hatte, kam mir der Titel wieder in den Sinn. Das Szenario hatte ja durchaus interessante Ansätze, vielleicht hatte ich zu schnell aufgegeben? Und ohne die störenden Macken in der eventuell längst behobenen Steuerungsproblematik könnte es wirklich Spaß machen.

Das Spiel kurzerhand wieder installiert wollte ich es noch einmal drauf ankommen lassen, und sei es nur um hier einen weiteren Blogartikel zu schreiben. Jetzt gute 14 Stunden später kann ich sagen dass es sich gelohnt hat. Meine Erwartungen mit denen ich am ersten Tag an den Titel heran ging konnten nicht erfüllt werden, dafür folgt das Spiel zu sehr anderen Bahnen und Mechanismen. Aber zu Unterhalten wusste der Titel definitiv!

Gegen einen fähigen Nahkämpfer machen viele Schergen schneller schlapp als gegen eine Feuerwaffe.

Das kleine Agenten Ein mal Eins

Die Geschichte ist im Grunde schnell erzählt und doch zugleich der große Motivator von Alpha Protocol. Michael von den meisten Mike genannt wird von einer streng geheimen Organisation rekrutiert und nach kurzen Briefing in den nahen Osten entsandt. Ein Passagierflugzeug wurde Opfer eines terroristischen Anschlages und nun will man die Drahtzieher dingfest machen. Wie zu erwarten sind dies Skimützen tragende und mit Kalaschnikows ausgerüstete Idealisten, geführt von militanten Generälen und Bart tragenden Scheichs die ihre Raketen fröhlich durch das Land schmuggeln.

Zusammen mit seinen Informanten nimmt Mike einige Lager hoch, sammelt Informationen über Standort und Transportrouten und lässt schließlich die ganze Aktion hoch gehen. Doch in dem Augenblick des süßen Triumph bebt auf einmal die Erde. Der Geheimagent entkommt nur knapp und ohne größere Verletzungen. Und die erste Information die ihm zu Teil wird lässt keinen Platz für Optimismus.

Mit Pflichtbewusstsein an die Arbeit gegangen, zum Dank die eigene Organisation als Feind.

Man wollte ihn gezielt los werden, da der Vorfall in den er gerade verstrickt war einem Waffenhersteller das Genick brechen könnte. Auch die Auffassung des ihm übergeordneten Alpha Protocol wird schnell wie eine Seifenblase zum Platzen gebracht. Dieses diente nicht etwa dazu Agenten solche Operationen unter dem Schatten der Gesetze zu ermöglichen, sondern den Regierungen eben solche Operationen zu leugnen, sollten diese auffliegen. Aufgedeckte Operator und Geheimdienstler werden nicht geschützt sondern schlicht deren Existenzen ausgelöscht.

Zusammen mit seiner Informantin innerhalb der Organisation setzt Thorton sich in ein anderes Land ab, mit den Informationen die er besitzt einen Weg suchend die Gründe in Erfahrung zu bringen und einen Verantwortlichen aus zu machen.

Ab diesem Punkt kommt die Geschichte erst in Fahrt. War zu Beginn noch klarer Schwarz-Weiß Patriotismus das Schlagwort, entwickelt die Geschichte fortan mehr und mehr Eigendynamik. Vor allem aber erzählt sich die Geschichte auf durchaus verschiedene Wege. Welchen Teil man anpackt bleibt den Spielern überlassen. Rom, Moskau und Taipeh stehen als Hauptschauplätze zur Wahl. Ein jeder Ort bietet andere Aufgaben, Verbindungscharaktere und Entscheidungen. Doch wer einmal in Kontakt getreten ist, wird in späteren Missionen wieder in Erscheinung treten. Vorausgesetzt die Geschichte hat sich nicht in eine Richtung entwickelt, die jene Charaktere aus der Handlung tilgt.

Freund oder Feind? Bei vielen Charakteren ist dies bis Ende des Spiels keine klare Angelegenheit.

Denn an vielen Punkten in der nicht linearen Geschichte entscheiden Aktionen darüber wie es um den Verbleib einiger Schlüsselfiguren steht. Ein Kunstmuseum in Rom etwa soll Tatort eines Bombendramas werden. Zugleich erfährt Mike dass eine Informantin die sich für ihn in große Gefahr gebracht hatte, geschnappt wurde. Der Spieler muss entscheiden ob eine seiner wenigen Vertrauenspersonen oder ein mögliches Drama den Vorrang haben. Auch kann ein vermeintlicher Feind sich im Nachhinein als wertvoller Verbündeter entpumpen, voraus gesetzt man hat ihn oder sie vorab nicht schon mit Blei voll gepumpt.

Aktenzeichen A, B oder C

Die Geschichte wird ab dieser Aufspaltung in Rückblenden abgehandelt. Mike sitzt mit dem Fadenzieher der ganzen Organisation in einem Verhörzimmer und erzählt von den einzelnen Stationen, rechtfertigt seine Entscheidungen oder verhöhnt sein Gegenüber schlicht. Wie die einzelnen Personen auf diese Verhalten reagieren lässt sich vorab nicht einschätzen. Zwar hat Mike während jedem Gespräch an mehreren Punkten zwischen zwei und vier Möglichkeiten zu antworten, wie diese aussehen bleibt allerdings verborgen.

Das Dialogsystem verläuft sehr dynamisch, ohne den Sprechfluss zu unterbrechen.

Wenige Sekunden bleiben beispielsweise um „Professionell“ „Kokett“ „Nachfragend“ oder „Aggressiv“ zu antworten. Was Mike basierend darauf von sich gibt, ist für die Spieler nicht ersichtlich und in einigen Fällen von früheren Entscheidungen beeinflusst. Ob das Gesprochene beim Gegenüber mit Wohlwollen aufgenommen wird, oder sogar so sehr verärgert dass das Vertrauen schwindet weiß der Spieler immer erst hinterher. Durch ein festes Speichersystem mit Kontrollpunkten, ist es auch nicht ohne weiteres möglich DIE richtige Antwort zu suchen. Dies lässt Spielraum für ein erneutes Durchspielen und andere Entwicklungen der Handlung.

Technik als Mittel gegen Agenten

Die Dialoge sind zwar gut vertont, allerdings nur in Englisch. Zwar liefert das Spiel Untertitel, diese zeigen jedoch stets nur Satzteile und wechseln oftmals schneller als man diese lesen könnte, da die Texte synchron zum Gesprochenen laufen. Man sollte also dem Englischen mächtig sein, oder sehr schnell lesen können. Ansonsten gehen viele Informationen unweigerlich verloren.
Dennoch liegen die Zweifel weder an den Dialogen, noch an der erst allmählich in Fahrt kommenden, dann aber packenden und motivierenden Geschichte. Die Macken die sich durch das Spiel ziehen, liegen im Gameplay und sollten großzügig verziehen werden um Alpha Protocol genießen zu können.

Dies fängt bei der Grafik an. Typisch für einen Konsolentitel ist die etwas kargere und detailarme Optik. Darüber kann man gut hinweg sehen. Zwar ist die Tiefenschärfe in Gesprächen und beim Zielen maßlos übertrieben und hätte mit halber Stärke stimmiger gewirkt, und Texturen laden ständig nach bevor aus einer undefinierbaren Fläche ein erkennbares Muster wird. Auch flackern diese ebenso wie einige Polygone die in der Ferne durch andere Objekte schimmern häufig. Aber darüber lässt sich noch hinweg sehen. Insgesamt ist die Optik schlicht aber harmonisch und zeigt abwechslungsreiche Schauplätze.

Die Bildschirme sind schön an zu sehen, geben aber nur wenige Informationen auf einmal preis.

Die Steuerung ist da schon das größere Übel. Die Menüführung könnte verwirrender kaum sein. Einfache Befehle liegen in verschachtelten, auf mehrere Bildschirme unterteilten Menüs. Will man im Kampf den Zugriff auf einen bestimmten Ausrüstungsgegenstand ermöglichen, muss das Menü geöffnet und der Gegenstand markiert werden, bevor er über die Aktionstaste für Gegenstände benutzt werden kann. Soll die aktive Fähigkeit gewechselt und noch schnell eine andere eingesetzt werden, muss auch dies in einem separaten Menüschirm passieren. Da es nur wenige Fähigkeiten gibt, hätte man spätestens für die PC-Portierung problemlos mehrere Tasten für diese Aktionen belegen können, statt die Spieler in Menübildschirme zu zwingen.

Die Menüs zu schließen offenbart die nächste untpyische Macke. Der naheliegende Druck auf Esc mangels eines Buttons bleibt ohne Ergebnis. Um die Bildschirme zu verlassen muss die rechte Maustaste betätigt werden. Kein großes Problem aber eine Umgewöhnung die unnötig gewesen wäre. Dazu kam zumindest in meinem Fall das gleiche Steuerungsproblem, das auch beim ersten Anlauf den Spielspaß getötet hatte. Zwar wird im Internet viel darüber gesprochen, eine Lösung hat allerdings keiner der Ansätze mit sich gebracht. Immer wieder verreißt die Maus mitten im Spiel und somit auch die Kamera. Was nur störend ist wenn man gerade durch einen Gang läuft und plötzlich an der Wand klebt, wird fatal wenn man versucht hat sich an einen Gegner heran zu schleichen, und kurz vor dem Knockout auf eine Kiste starrt und nicht mehr weiß in welcher Richtung der Feind steht.

Ein Drahtseilakt sieht anders aus

Sehr ärgerlich und leider immer wieder wilkürlich auftretend sind die actionreichen Passagen durch diese Steuerungsmacke sehr erschwert. Ein letztes Manko stellt das Balancing der Fähigkeiten und Spielweisen dar. Durch Aktionen und Funde von Indizien sammelt Michael Thorton Erfahrungspunkte. Bei einem Stufenaufstieg werden Punkte zugesprochen die in verschiedene Talente investiert werden dürfen. Steigert man eine Fähigkeit weit genug, schaltet diese eine aktive Fertigkeit frei. Geübte Nahkämpfer versetzen sich so in Zorn und prügeln für einige Sekunden besonders schmerzhaft zu. Wer die Gesundheit ausbaut, profitiert nicht nur durch mehr Energie, sondern kann mit aktiver Fähigkeit kurze Zeit zudem den erlittenen Schaden reduzieren.

Für Pistole, Maschinenpistolen, Schrotflinten und Sturmgewehre gibt es eigene Fertigkeiten. Nahkampf, Tarnung und Gesundheit kommen hinzu. Abgerundet durch Technikverständnis und Sabotage. Was nach vielen Möglichkeiten klingt, schränkt sich im Spielverlauf stark ein. Tarnung reduziert zwar die Gefahr vom Gegner gesehen zu werden, ausschalten muss man die meisten dennoch. Schalldämpfer gibt es nicht für alle Waffen und sind nicht immer verfügbar, wird man entdeckt hat man alle Wachen am Hals und muss so oder so direkt kämpfen. Auch bei Bosskämpfen kommt es auf bloße Waffengewalt und Ausdauer an. Technikverständnis verkürzt die Cooldowns bis zum nächsten Einesatz eines Item und verstärkt die seltenen Erste-Hilfe-Kästen. Das Spiel lässt sich aber auch ohne einen einzigen Fertigkeitspunkt in dieser Disziplin mit Leichtigkeit beenden. Eine stark ausgebaute Waffenklasse hingegen sorgt dafür dass das Spiel zunehmend einfacher wird. Ist es Anfangs noch schwierig überhaupt vorwärts zu kommen, fällt man später mit einem Magazin mühelos eine ganze Übermacht binnen Sekunden. Sabotage schließlich verbessert die Arbeit mit Sprengstoffen, von denen man allerdings nur selten welche findet und noch seltener einsetzen kann. Wenigstens werden zugleich die Minispiele erleichtert indem diesen mehr Zeit zugestanden wird.

Die Minispiele sind ein weiteres Beispiel dafür dass viele Ideen nicht sonderlich gut aufeinander abgestimmt sind. Drei verschiedene Spiele gibt es die im Spielverlauf sehr oft Einsatz finden. Das mit Abstand einfachste ist das Knacken regulärer Schlösser. Bolzen müssen mit der Maus durch auf- oder abwärts-Bewegungen in Position gebracht werden. Eine Anzeige verrät in welchem Bereich man mit der Maustaste bestätigen muss. Hier zu versagen ist ein wahres Kunststück. Häufiger knackt man elektronische Schlösser. Auf einem Schaltplan müssen nun die richtigen Stellen überbrückt werden. Eine Zahl verrät die Reihenfolge, man muss in dem Gewirr nur noch nachsehen zu welcher Position die Leiter führen.

Schwer genug unter Zeitdruck Codes zu finden, wechselnde Zeichen und Positionen sorgen für Stress.

Das schwierigste Minispiel kämpft sowohl bei Steuerung als auch der Spielmechanik mit Gemeinheiten. Ein großes Codefeld beinhaltet wild wechselnde Zahlen- und Buchstabenkombinationen. Zwei Codepassagen müssen in diesen ausgemacht und ausgewählt werden. Den einen Code steuert man mittels den Bewegungs- und der Leertaste, den anderen durch Maus und Maustaste. Wäre das nicht schon herausfordernd genug, wechselt die Codes regelmäßig ihre Position. Immerhin darf bei gescheiterten Versuchen ein Minispiel von vorn gestartet werden.

Fazit

Alpha Protocol hat es mir wirklich schwer gemacht Spaß zu haben. Die ersten ein zwei Stunden frustrierten die Bedienung, störten Designschnitzer und langweilten ewig lange Dialoge die nur von kurzen Actionpassagen unterbrochen wurden. Gute fünf Stunden hat es gebraucht bis ich die ganzen Macken die das Spiel hat hinnehmen konnte. Zu diesem Zeitpunkt nämlich begann die Geschichte interessant zu werden, die Charaktere ihre Mehrschichtigkeit zu offenbaren  und anfangs bockschwere Aktionen durch bessere Fähigkeiten zunehmend einfacher zu werden. Gegen Ende wurde das Spiel dann gar zu einfach, fesselte dafür aber umso fester mit seinen Entscheidungen und Verkettungen der Ereignisse. So sehr ich mich an den Bedienmängeln nach wie vor störe, es wird definitiv noch einen zweiten Durchlauf geben. Denn ich möchte wissen wie sehr sich das Konzept bei grundlegend anderen Entscheidungen verhält, und ob ich wenn ich andere Wege gehe überhaupt vor diese gestellt werden. Alpha Protocol ärgert mit seiner Spielmechanik aber fesselt durch seine Geschichte. Ein wahrer Doppelagent der Rollenspielbranche.

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