Deus Ex 3

Adam Jensen ohne Augmentierung
Noch ahnt Adam Jensen nichts von dem, was ihn erwartet.

Nach gut 8 Jahren Funkstille um Deus Ex ist es nun soweit. Ein dritter Teil der Serie ist erschienen und versucht das, was Deus Ex: Invisible War angerichtet hat, wieder gutzumachen. Doch kann der neue Teil, der zeitlich 25 Jahre vor dem ersten Teil spielt, die Fehler des alten ausbügeln?

Story

Wir schreiben das Jahr 2027. Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter. „Augmentierungen“ halten Einzug im alltäglichen Leben. Diese Augmentierungen sind mechanische Entwicklungen um Teile des menschlichen Körpers zu unterstützen oder gar zu ersetzen. Eines der führenden Unternehmen in der Entwicklung und des Vertriebs dieser Augmentuerungen ist Sarif Industries. David Sarif, der Leiter des Unternehmens, hat eine Vision. Er möchte Augmentierungen für jeden Menschen ermöglichen. Ist jemand mit seinen Augen nicht zufrieden, bekommt er bessere. Das Bein ist nicht mehr ganz so frisch? Nimm dir ein besseres! Dass diese Zukunftsvision nicht nur Fürsprecher findet, versteht sich von selbst. Und das ist auch der Ort wo Deus Ex: Human Revolution beginnt.

Als ehemaliges Mitglied der Spezialeinheit SWAT beginnt man, sich als Sicherheitschef für Sarif Industries um den Schutz der Forscher zu bemühen. Eine Aufgabe die nicht schiefer hätte gehen können. Die Labore werden angegriffen und man selbst versucht die Angreifer zu besiegen. Doch die augmentierten Unbekannten sind haushoch überlegen. Adam Jensen, in dessen Rolle man schlüpft, wird lebensgefährlich verletzt. Doch statt zu sterben wird er gerettet und mit einer Vielzahl verschiedenster Augmentierungen vollgestopft. Mehr als wahrscheinlich sonst jemand zu dieser Zeit. 6 Monate später, ausgebaut zu einem Cyborg mit coolem Sonnenbrillen-Upgrade verlässt Adam das Krankenhaus um seinen Job wieder aufzunehmen. Zuviel von der Story will ich hier dann doch nicht verraten, denn dieses Ereignis ist nur das erste in einer langen Kette.

Augmentierte Sonnebrille Deus Ex 3
Mit Sonnenbrillen-Upgrade gegen das Unrecht. Seltsam nur, dass Deus Ex 3 hauptsächlich in finsterer Nacht spielt.

Gameplay

Eines der Markenzeichen der Deus Ex Reihe war es immer, dem Spieler eine große Handlungsfreiheit zu gewähren. Shooter, Schleicher, Pazifist oder Grog-gurgelnder Berserker. Alles kann, nichts muss. Dabei spielt Deus Ex 3 nicht mit einer sich anpassenden Handlung oder veränderten Konsequenzen. Vielmehr geht es dabei darum was man „denkt“ wer man ist und wie man sein will. Jedes Problem, welches einem im Spiel gestellt wird, lässt sich dabei auf mindestens zwei Wegen lösen. Oftmals auch mehr als das. Diese Freiheit zieht sich konsequent durch das komplette Spiel, selbst bis hin zu den Bosskämpfen und auch dem Endkampf. Ein Beispiel dazu aus dem ersten großen Auftrag.

Eine Produktionsstätte von Sarif Industries wurde überfallen und Geiseln genommen. Still infiltrieren oder gnadenlos durch ballern sind nicht die einzigen Möglichkeiten. Ob man nun die Patrouillenwege der Wachen auswendig lernt und vorbei schleicht; ob die Gegner im Stillen bewusstlos geprügelt und versteckt werden; ob man lieber über das Dach einen Lüftungsschacht sucht. Es bleibt einem selbst überlassen. Viele Fähigkeiten lassen sich auch kombinieren um seinen ganz eigenen Weg zu finden. Besonnenes Vorgehen wird dabei mit zusätzlichen Erfahrungspunkten belohnt. Der „schnelle“ Weg ist dabei oft nicht der Beste.

Seltsam geraten ist jedoch der Nahkampf. Auf einer Taste, auf dem PC standardmäßig das Q, lässt sich bei einem nahen Gegner der Nahkampf aktivieren. Ein kurzer Druck auf die Taste schlägt den Gegner bewusstlos, längeres drücken tötet ihn. Letzteres ist dabei etwas lauter, sorgt aber dafür, dass ausgeschaltete Gegner nicht wieder aufstehen, sollten sie einmal von einer Wache gefunden werden. Egal welche der Varianten man bevorzugt, es kostet Energie. Zu Beginn hat man zwei Energiecontainer von der sich nur der erste wieder über die Zeit auflädt. Beschleunigen kann der Spieler es mit Powerriegel, die überall gefunden und gekauft werden können. Sollte jedoch alle Energie einmal verbraucht sein KANN Adam Jensen nicht einmal einen simplen Fausthieb austeilen. Dann bleibt nur die Flucht, eine Knarre oder ein, in weiser Voraussicht, mitgenommener Energieriegel. Etwas seltsam ist das schon.

Atmosphäre

Deus Ex war damals und ist noch heute eines der wenigen Spiele die sich am Thema des „Cyberpunks“ bedienen. Bekannt geworden durch Blade Runner steht Cyberpunk für eine düstere Dystopie der Zukunft. Es spielt mit den Ängsten zu was Maschinen werden könnten und was es bedeutet ein Mensch zu sein. Durch die zeitliche Einordnung vor Deus Ex, kann sich Deus Ex: Human Revolution noch mal ganz neu an den Elementen dieses Genres bedienen ohne sie neu zu erfinden. Alles befindet sich gerade im Prozess des Wandels und die Menschen dieser Zeit stehen dem mit Argwohn und Unsicherheit gegenüber. Zu dem Zeitpunkt als man im Spiel das erste Mal das Sarif Industries Gebäude verlässt, und durch die Straßen Detroits wandelt, wird man in die Stimmung hinein gesogen. Es ist dunkel, die Straßen sind schmutzig. Leuchtende Werbetafeln strahlen einen von jeder Ecke an und alles ist in einer Mischung aus schwarz und gelb getaucht. NPCs sieht man trotz der späten Stunde einige. An jeder Ecke stehen Leute die rauchen, telefonieren oder schlicht im Abfall wühlen. Doch dabei bleibt es auch. Sprichwörtlich. Stunden später sind immer noch die selben Leute an der selben Ecke und rauchen, telefonieren oder graben im Müllcontainer. Ein Spiel wie Deus Ex 3 lebt von seiner Atmosphäre und Story. Gerade dabei sollten NPCs nicht mechanischer wirken als der eigene Cyborg. Spricht man beispielsweise einen gerade redenden NPC an, erzählt er einem brühwarm seine kurze Bemerkung, um dann wieder mit dem unterbrochenem Text fortzufahren. Nämlich von Anfang! Das wirkt dann doch etwas künstlich auf Dauer.

Deus Ex 3 Minispiel Hacken
Deus Ex 3 bietet ein ausgeklügeltes Minispiel zum Hacken, dessen Muster sich erst sehr spät im Spiel zu wiederholen beginnen. Toll!

Mehr Abwechslung findet man dann nicht für die Ohren, sondern für die Augen. Gefühlt jeder Raum in Deus Ex 3 ist ausgestattet mit einem PC. Und der Mensch von Morgen schreibt viel am PC. Nicht immer haben diese PCs einen taktischen Nutzen für das vorankommen im Spiel, um sich zum Beispiel Zugangscodes zu stehlen (doch dazu später mehr), es finden sich auch persönliche E-Mails, Spam-mails und interne Memos zu Sicherheitsbestimmungen. Auch gibt es viele verstreute eBooks und Zeitungen. Zu lesen gibt es viel um in die Welt richtig einzutauchen. Besonderes Lob gilt dabei der Hintergrundgeschichte um Jensen. Ist sie einem egal, fällt sie einem auch nicht auf. Nur hier und da findet man Schnipsel darüber wie er mit den Ereignissen wohl umgeht. Ein zerbrochener Spiegel im Bad, eine Schmerzmittelpackung unter dem Schreibtisch. Es ist sehr subtil und lässt einem genug Spielraum um zu interpretieren.

Grafik

Die Grafik von Deus Ex 3 hinkt dem heutigen Standard deutlich hinterher. Gerade die für die Atmosphäre so benötigten NPCs wirken allesamt mechanisch und steif. Selbst ein Oblivion kann dort mit einer besseren Gesichtsanimation aufwarten. Die fehlende Mimik stört nur bedingt bei den Hauptcharakteren, fällt aber bei den Nebencharakteren sehr viel deutlicher auf, da diese zum Teil sehr viel schlechter textuiert sind. Zudem wiederholen sich NPC-Modelle im laufe der Zeit. (und das obwohl es das Klonen doch noch gar nicht gibt…Zauberei!)

Die Texturen der Gebäude und Gegenstände sind ebenfalls kein Kracher, fügen sich aber gut ins Spiel ein und fallen deshalb zumindest nicht negativ auf.

schwache Grafik Deus Ex 3
Technisch ist Deus Ex 3 bereits jetzt veraltet, weiß aber dennoch durch seine Inszenierung zu überzeugen.

Sound

Die Vertonung der Charaktere ist durchwachsen. Alle Hauptcharaktere, also jene die mehr als sieben Zeilen sprechen, sind durch die Bank gut gewählt. Selbst der Hauptcharakter, Adam Jensen hat mit seiner deutschen Synchronstimme einen besseren Klang bekommen als mit seiner englischen „Orginalstimme“. Diese übertreibt es mit der „Coolness“ zu sehr. Als müsste man jeden Kommentar noch ein wenig rauchiger raus hauen. Die deutsche Stimme lässt einem offen wie man selbst Jensens handeln interpretiert.

Was an den Hauptcharakteren gut investiert wurde, hat man scheinbar bei den Nebencharakteren eingespart. Wie Statisten sehen sie aus, und hören sich auch an. Die wichtigsten Informationen erhält man meist eh im vorbeigehen. Lippensynchron sind weder Haupt- noch Nebencharaktere. Ganz anders ist die Musik zu bewerten. Diese fällt schlicht gesagt grandios aus. Michael McCann leistet dabei gute Arbeit. Jeder Track passt in die Situation und unterstützt die Spielstimmung filmreif. Der Soundtrack besteht aus einem Mix von Streichinstrumenten und Elektro-Einflüssen der gerade bei der Mischung des Themas von Mensch und Maschine perfekt passt.

Level- und Charakteraufbau

Die größte Stärke von Deus Ex 3 ist es, sich dem Spieler anzupassen. Bei meinem ersten Durchgang wollte ich mich direkt in diese Welt einfügen. Menschliches Leben muss geachtet werden und auffallen wollte ich auch nicht. Passend dazu gibt es für jede Handlung Erfahrungspunkte. Um die „humane“ Spielweise zu unterstützten gibt es dafür Sonderpunkte wie den „Geist“- Bonus, wenn man ungesehen einen Spielabschnitt überwindet, oder den Pfadfinderbonus, sollte man es schaffen einen versteckten Weg durch Zwischenwände oder Lüftungsschächte zu finden. Ich entschied mich also den Weg des Schleichers, des Hackers nachzugehen. Doch sehr schnell fällt einem beim Spielen auf: Es gibt nicht nur „den Weg des Schleichers“ Ich könnte über die Kisten, auf den Balkon gehen und dort den Lüftungsschacht nehmen. Ich könnte aber auch mich durch die Gegner kämpfen. Deus Ex 3 lässt hier jedoch an jeder Stelle Zwischenlösungen zu. Wieso nicht vom Dach aus die Wachen mit dem Betäubungsgewehr schlafen schicken? Oder doch durch gezielte Kopfschüsse aus dem Lüftungsschacht zur ewigen Ruhe betten?

Am besten erklärt ist es anhand eines einzelnen Hindernisses. Vor mir ist eine Laserschranke, deren unterster Laser in immer wiederkehrender Frequenz flackert. Was tust du? Schaltpult hacken, Laser abschalten? Den richtigen Zeitpunkt abwarten und durch die Lücke schlüpfen? Einfach mal die Tarnung einschalten und mühelos durchgehen? Die nächste Wache K.O schlagen um sie zum Laser zu ziehen, da du vorher bemerkt hast, dass sie sich bei Wachen abschalten? Genauso gut kannst du einfach den Alarm auslösen und die heranstürmenden Wachen in deine vorher gelegten Minen laufen lassen. Beim Hacken gibt es fünf Schwierigkeitsstufen. Man kann zu beginn nur Systeme der Sicherheitsstufe 1 hacken.

Das Minispiel dazu ist ausgeklügelt und selbst im späteren Verlauf nicht so nervig wie z.B. sein Pendant aus Bioshock. So kann es einem passieren, dass der Laser auf Stufe 4 nicht zu hacken ist. Doch der Computer des Sicherheitschefs ist nur auf Sicherheitsstufe 2 und so leichter zu hacken. Dort finden wir in einer Mail die Zugangscodes und können den Laser an der Konsole ganz ohne Hacken abschalten. (Erfreulich: Das Nummernpad der Tastatur kann ebenfalls zur Eingabe des Codes benutzt werden. Man muss also nicht mit der Maus auf jede Zahl am Bildschirm drücken.)

Verbündete und Feinde Deus Ex 3
Wer Freund oder Feind ist bleibt bis zum Ende hin unklar. Es gibt nicht nur Gut oder Böse, Schwarz oder Weiß. Deus Ex 3 bewegt sich in moralischen Grauzonen die jeder selbst für sich definieren muss.

Und nicht einmal alle Lösungswege sind von vorneherein klar. So habe ich mich beim Durchspielen daran gewöhnt einen Gegenstand in die Minen zu werfen. Das war meine Lösung. Erst später erfuhr ich, dass man ja auch einfach darauf schießen könnte. Eine Lösung die mir selbst in dem Moment gar nicht auffiel, obwohl sie logisch ist. Deus Ex: Human Revolution bietet dabei einen umfangreichen Fähigkeitsbaum den es zu erlernen gilt. Man ist von Beginn an in der Lage sich in jede Richtung zu entwickeln. Jeder erdenkliche Waffentyp ist in Deus Ex 3 zu finden. Von Pistole zur Armbrust, vom Betäubungsgewehr bis hin zu Raketenwerfer. Zahlreiche Upgrades lassen sich dabei noch zusätzlich integrieren die auch optisch die Waffe nachhaltig verändern.

Ich bin später auf eine Pistole umgestiegen die nun panzerbrechende Munition aus einem Schalldämpfer abfeuerte und mit Laservisier sehr viel zielsicherer war. Mein Adam Jensen war nun ein Masterhacker, konnte sich ohne Mühe fünf Sekunden unsichtbar tarnen und zwei Gegner zugleich im Nahkampf ausschalten ohne Alarm auszulösen. Diese „Macht“ steigert sich im Spielverlauf immer weiter. Zu einem späteren Zeitpunkt wird man von einem Charakter gefragt, ob einem die ganzen Upgrades geholfen oder vielmehr zum Monster gemacht haben. Hier zeigt sich die unterschwellige philosophische Frage des Spiels. Spätestens wenn man sich die Frage stellt, ob man Sicherheitskräfte eher umgehen sollte, selbst wenn es einfacher wäre sie niederzumetzeln, hat einen das Spiel in seinen Bann gezogen.

Fazit

Deus Ex 3 lässt viel Platz zum Meckern. Die schlampigen Gesichtsanimationen, teilweise schlechtes Voiceacting und komplett versagte Lippensynchronität in deutscher und sogar englischer Orginalversion. Die Gegner werfen Granaten besser als Tiger Woods einlochen kann, und die Bossgegner lassen sich nicht umgehen wie noch im ersten Teil. Ja man kann viel drüber nörgeln doch trotz allem wirkt Deus Ex 3 bereits jetzt wie ein Klassiker. Wer über die Mängel hinweg sehen kann, bekommt ein wunderbares Stealth-Shooter-Rollenspiel mit filmreifer philosophisch-angehauchter Story in einer düsteren, nicht allzu fernen Zukunft. Es spielt mit der Angst wie viel Maschine der Mensch aushalten kann und bedient sich dabei der philosophischen Frage was einem zum Menschen macht, und ab wann man eben jene Menschlichkeit verliert. Für Cyberpunk Fans ein Muss! Für alle anderen eine ernst gemeinte Kaufempfehlung.

  • große Handlungsfreiheit
  • packende Story mit philosophischem Ansatz
  • perfekte Musik (!)
  • lange Spielzeit (~ 30 Stunden)
  • viele Briefe, Logs, Bücher zum lesen
  • motivierendes Hacking-Minispiel
  • kleine Stadtbezirke zum erkunden
  • Kein „normaler“ Nahkampf
  • teils schlechte Sprecher
  • fehlende Lippensynchronität
  • künstlich wirkende Nebencharaktere