Evoland

Evoland-Held
Die Bevölkerung des kleinen Ortes Aogai benötigt dringend Hilfe. Ein Glück dass der Held sowieso gerade auf dem Weg war. So viele Dialoge wie in Aogai, gibt es sonst im ganzen Spiel nicht. Und es sind dennoch nicht viele.

Es gibt Rollenspiele die mit einer gewaltigen Spielwelt von sich Reden machen. Die Elder Scrolls und diverse MMO-Titel sind hier ein schönes Beispiel. Dann kommen Titel mit einer Spieltiefe in der Charakterentwicklung, die entweder durch vielfältigen Fähigkeitenausbau, oder tiefgehende Charakterprägung wie in Final Fantasy begeistern. Nicht zu vergessen die süchtig machende Jagd nach immer besseren Gegenständen, die Diablo fast schon perfektioniert hatte. Und dann gibt es natürlich noch die Gothics, Risens und Witcher, die optische Maßstäbe setzen konnten.

Diese und andere Spieleserien haben die Rollenspielszene seit vielen Jahren geprägt. Und dann gibt es natürlich noch solche Spiele, die weder gute Technik aufweisen, noch ein tiefergehendes Gameplay aufweisen, die Handlung an der Nase heran ziehen und in keinem einzelnen Punkt einer Erwähnung wert wären. Ein solcher Titel ist Evoland.

Evoland erzählt weder eine gute Geschichte, noch spielt es sich rund oder mit Tiefgang. Die Charaktere könnten oberflächlicher kaum sein und jeder GameBoy hat heute eine bessere Grafik. Warum also sollte ein solcher Titel einer Erwähnung oder gar eines Lobes wert sein? Weil Evoland genau all das gar nicht sein will. Das kleine Indi-Projekte ist ein Schauspiel des Wandels, durchlebt verschiedene Zeitalter der Rollenspielklassiker und scheut sich nicht davor, seine Anspielungen mit einem Holzhammer auf den Bildschirm zu bringen.

Story

Klisches finden sich in der knappen Geschichte mehr als genug. Fraglich ob in die Handlung – welche spielend auf einer Visitenkarte Platz fände – noch mehr Klisches einzubinden gewesen wären. In Evoland tropft und trieft es so sehr, Storywriter würden panisch aus dem Fenster springen, wüssten sie nicht, dass dies Teil des Konzepts ist.

Nach jahrhundertelangem Frieden, trat eine uralte böse Macht zurück ans Licht, um die Welt von Evolandia zu bedrohen. Ihr seid eins der wenigen verbleibenden Mitglieder des Ordens der Drachenritter, dessen Aufgabe es ist, die Welt zu bereisen, um den Notleidenden zu helfen und das Böse zu bekämpfen. Dank des jahrhundertelangen Friedens hattet Ihr in letzter Zeit nicht gerade viel zu tun, aber es sieht ganz so aus, als würde sich das bald ändern!

Dies ist die vollständige Einleitung, die der Held nach wenigen Minuten Spielzeit freischaltet. Freischaltet? Das ist richtig. Doch dazu mehr in den Abschnitten Atmosphäre und Gameplay. Die Geschichte entwickelt sich anhand sehr kurzer Gespräche und sehr schlicht gehaltener Zwischensequenzen. Dem Helden zur Seite steht dabei eine junge Zauberin, die mit Unterstützung des Helden versucht ihr Heimatdorf und den Manabaum zu retten.

Evoland-Story
Kein Witz. Die oben zitierte, vollständige Einleitung der Handlung, ist der längste zusammenhängende Text im gesamten Spiel. Die meisten Gespräche bestehen aus zwei, drei Ein- bis Zweizeilern.

Wendungen und Überraschungen sind eher vorberechnete Ausnahmen. Wer die Vorlagen kennst, erkennt viele angedeutete Handlungsstränge wieder, welche Evoland in nicht einmal zwei Minuten abzuhandeln gedenkt. Mehr als die Einleitung über die Handlung zu erzählen wäre sehr schwierig. Aufgrund der seichten Natur, lassen sich viele Passagen spielend in einem Satz zusammen fassen. Und mit einer Spielzeit von knapp 3 bis 4 Stunden, kann auch keine umfangreiche Geschichte erwartet werden. So unvermittelt die Geschichte beginnt, so endet sie auch, abrupt und ohne wirkliche Höhepunkte. Freunde guter Erzählungen werden hier trotz Klamauk-Humor nicht warm.

Atmosphäre

Es ist schwierig die Atmosphäre von Evoland in irgendeiner Weise werten zu wollen. Man schätzt sie, oder man hasst sie. Denn eine Atmosphäre entwickelt sich eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirklich. Das Spiel lebt von permanenten optischen und spielerischen Veränderungen. Konstanten gibt es nur wenige, während Spieler alle paar Minuten in ein völlig neues Szenario geworfen werden. In der Spielwelt stehen mal etwas versteckt, oft fast unausweichlich Truhen herum, wie man sie aus diversen anderen Rollenspielen zu kennen glaubt. In jedem zweiten Fall, findet sich darin allerdings kein Schatz oder Beute, sondern eine erneute Umgestaltung und Weiterentwicklung der Welt von Evoland.

Die Spielwelt besteht aus recht generisch zusammen gesetzten Grafikpaletten. Ein typisches Waldsetting, zwei Dörfer, Höhlen und Tempel, verknüpft mit einer Oberweltkarte. Einige versteckte Orte laden erkundungsfreudige Spieler dazu ein, noch ein wenig an entlegenen Ecken zu stöbern und störende Spielmechaniken werden dabei bewusst in Kauf genommen. Zufallskämpfe alle paar Schritte, veränderte Optik zu jedem Spielabschnitt und gewollt platte Dialoge ohne jede Tiefe, zehren stark an der Atmosphäre.

Evoland ist kein Titel in den man tief eintauchen kann. Das Spiel ist eine als Parodie aufgezogene Huldigung von Meilensteinen der Rollenspiel-Adventures. Über The Legend of Zelda und Final Fantasy, hin zu Secret of Mana bis hin zu Diablo, stolpern Spieler alle Naselang über Anspielungen und Nachbildungen der großen Vorbilder. Wer sich auf diese Persiflage und den flach gehaltenen Slapstick einlässt, wird über die Dauer von knapp drei Stunden Spielzeit weitgehend gut unterhalten. Wer auf Tiefgang, eine nachvollziehbare Handlung, liebenswerte Charaktere oder dergleichen hofft, braucht spätestens jetzt nicht mehr weiter zu lesen. Leider gilt dies auch für die Übersetzung. Anspielungen in Wortlauten und Gesprächsverläufen lassen Kenner schmunzeln. Falsch geschrieben Worte, sowie gar zu wörtlich übertragene Sprüche fallen leider unangenehm auf. Erst recht da Evoland nicht viele Texte bietet.

Gameplay

Die Truhen als zentrales Element für Präsentation und damit einher gehendes Spielelement wurden bereits angesprochen. Sie bilden auch den Kern, des über weite Strecken als Action-Adventure zu definierenden Titels. Der Blick auf die Heldenfigur erfolgt stets von oben herab und wird mit Richtungstasten, sowie einer Menü- und Aktionstaste simpel und ohne komplexe Steuerung geführt. Über weite Strecken spielt sich Evoland tatsächlich am ehesten wie das Vorbild mit der grünen Zipfelmütze. Mit den Richtungstasten läuft der Held herum, mit der Aktionstaste werden je nach ausgerüsteten Gegenstand das Schwer geschwungen, ein Pfeil geschossen oder eine Bombe gelegt, um Monster und später auch einfache Kombinations-Rätsel zu lösen.

Früh, mit Ankunft auf der Oberweltkarte mischen sich sowohl die optischen als auch spielerischen Elemente stark. Wird in den Dungeons und Wäldern das actionlastige Kampfsystem beibehalten, spielen sich Kämpfe auf der Oberwelt und in Höhlen überwiegend Runden-basierend. Zu Beginn macht diese Unterteilung noch Sinn. Doch mit zunehmender Spielzeit wird offensichtlich, die Macher von Evoland haben das Konzept offensichtlich nicht zu Ende gedacht. Spätestens wenn zum Ende des Spiels mit dem Luftschiff auch alte Regionen besucht werden dürfen, wechseln sich Optik und Spielstil mit jedem Ort wild und zusammenhanglos durch.

Evoland-Evolution
Von pixeliger Optik und grob ruckelnden Bewegungen, bis hin zu wilden Massenschlachten mit reichlich skurrilen Bonus-Gegenständen. Die permanente Weiterentwicklung ist der wichtigste Kernbestandteil von Evoland.

Trauriger Höhepunkt: Allein in den Runden-basierenden Kämpfen sammeln die Helden Erfahrungspunkte und steigen sogar Stufen auf. In Actionkämpfen fehlt eine Möglichkeit die Attribute nachhaltig zu verbessern. Auch Ausrüstung hat keinen Einfluss auf das Kampfverhalten. Da die Rundenkämpfe spielend einfach, gerade die entscheidenden Kämpfe aber alle im Actionmodus statt finden, lohnt es sich überhaupt nicht, durch Kämpfe zu trainieren oder die Ausrüstung zu optimieren.

Der Anspruch von Evoland bewegt sich auf unausgeglichenen Niveau. Während die Rundenkämpfe durch die Bank weg viel zu einfach geraten sind, erschweren bei den Actioneinlagen zu Beginn mangelnde Ausdauer und gegen Ende stark vom Zufall abhängige Gegnerverhalten das Voran kommen. Von einigen sehr unausgeglichenen Momenten abgesehen, sind jedoch weder Rätsel noch Kämpfe als sonderlich schwierig einzustufen. Die meiste Zeit werden halbwegs fähige Spieler einen Anspruch an das Spiel vermissen.

Immerhin gibt es mit einem an Final Fantasy orientierten Kartenspiel, zwei Sammelaufträgen und einer Nebenaufgabe wenigstens ein wenig Beschäftigung abseits der Handlung. Und die versteckten Orte auf der Weltkarte wissen tatsächlich dank durch Masse anspruchsvollere Kämpfe und Rätsel eine Weile zu beschäftigen. Doch wer auf diese Beiwerke verzichtet, wird schon nach enttäuschend kurzer Zeit den Abspann über den Bildschirm flimmern sehen.

Evoland-Gameplay
Einfache Plattform- und Schalterrätsel, abwechslungsarme Irrgärten und sich wiederholende Runden-Kämpfe. Evoland setzt bewusst auf Elemente, die auf Dauer nerven würden, aber Spielern älterer Semester in Erinnerung geblieben sind.

Dazu kommen zumindest in der zu Release erhältlichen Version einige schwerwiegende Fehler. Beim Betreten eines älteren Dungeons kann schon mal die Bossmusik und Energieleiste einblenden und bis zum nächsten Spielstart permanent eingeblendet bleiben. Das ist noch nicht weiter dramatisch. An anderer Stelle lässt sich jedoch ein erst für später gedachter Dungeon sofort angehen. Den zuvor angedachten Dungeon kann und muss der Spieler im Anschluss zwar immer noch angeben, aber weder die Kistenfunde, noch Gespräche ergeben in dieser Reihenfolge Sinn und überspringen sogar Gesprächspassagen. Dagegen wiegen kleinere Clipping-Fehler und eine praktisch nicht vorhandene Gegner-KI nur gering.

Fazit

Evoland hat das Potential zu einem echten Hit, mit wenigen Mitteln. Dieses Potential wird leider nicht ausgereizt. Die schlichte Technik liese sich gut verschmerzen, da der Grundgedanke der permanenten Weiterentwicklung des Rollenspiel-Genres stilsicher aufgegriffen wurde und mit der Knuddeloptik japanisch anmutender Titel zu jeder Zeit über den gewissen Charme verfügt. Auch platte Dialoge und fehlende Spieltiefe ließe sich angesichts der eher kurzen Spielzeit verschmerzen. Bewusst altbackende Mechaniken wie Schritt auf Tritt folgender Zufallskämpfe, immer gleich aussehender Irrgärten, unsichtbarer Fallen und sogar inszenierter Ladebildschirme nimmt man billigend in Kauf. Es gehört zum Konzept diese Elemente als Retro-Erfahrung humorvoll rüber zu bringen.

Leider werden diese Elemente im letzten Drittel wild durcheinander gewürfelt, wodurch dem Titel Konsistenz verloren geht. Auch nehmen in diesem Abschnitt weitere „Innovationen“ spürbar ab. Man merkt dass den Entwicklern hier die Ideen ausgegangen sein müssen. Statt die optischen und technischen Veränderungen durch das komplette Spiel zu ziehen und somit wirklich eine Evolution zu bieten, bleiben die meisten Änderungen an die jeweiligen Orte gebunden und wechseln gegen Ende auch schamlos wieder auf zweidimensionale Ebene zurück, statt altbekannte Orte in neue Gewänder zu hüllen.

Evoland-Fazit
Für ein vermeintlichen Rollenspiel weist Evoland eine erschreckend kurze Spielzeit auf. Zum Glück, denn bereits zum Ende hin hat sich der spielerische Anreiz abgenutzt. Noch längere Spielzeit hätte dem Geheimtipp nicht gut getan.

Für aktuell knappe 10 Euro erhält man mit Evoland rund drei bis vier – mit allen Suchaufträgen bis zu etwa sechs Stunden Spielzeit. In dieser Zeit wird man zwei bis drei Stunden gut unterhalten. Danach hat der Titel sein Pulver und seine Überraschungen verschossen. Ein unterhaltsamer Titel, ohne jede Frage. Doch lohnt es sich auf mindestens einen Patch oder den ersten Preisnachlass zu warten. Evoland ist ein Kleinod, eine absolut liebenswerte Idee. Aber nicht jeder Spieler wird an diesem Titel Gefallen finden.

  • Fantasievolle Reise durch Rollenspielklassiker
  • Neuerungen gibt es im Minutentakt
  • ein schlichter, nett anzusehender Grafikstil
  • Von fast allem ein Bisschen…
  • …aber auch alles zu oberflächlich
  • Handlung ist an den Haaren herbei gezogen
  • inkonsequente Spielmechanik
  • Mehrere teils schwerwiegende Fehler
  • Sehr geringe Spielzeit

Ein Kommentar

  1. Für ein vermeintlichen Rollenspiel weist Evoland eine erschreckend kurze Spielzeit auf. Zum Glück, denn bereits zum Ende hin hat sich der spielerische Anreiz abgenutzt. Noch längere Spielzeit hätte dem Geheimtipp nicht gut getan.

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